Urlaub - Langzeiterkrankung - Mitwirkungsobliegenheiten - Übertragungsanspruch - Aussetzung wegen präjudiziellen Verfahrens
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.09.2021; AZ.: 9 AZR 3/21 (A);
Der Sachverhalt
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Der Kläger verlangt von der Beklagten die Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2015 bis 2017.
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Die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigte den Kläger seit dem 1. November 2001 zuletzt auf Grundlage des Arbeitsvertrags vom 3. Dezember 2003 als Monteur. Mit Schreiben vom 27. November 2019 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen zum 31. Dezember 2019. Vom 18. November 2015 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses war er krankheitsbedingt arbeitsunfähig.
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Der Kläger hatte im Kalenderjahr Anspruch auf 30 Arbeitstage Erholungsurlaub. Die Beklagte gewährte ihm im Jahr 2015 an 21 Arbeitstagen Urlaub und in den Jahren 2016 und 2017 keinen Urlaub. Sie hat den Kläger weder aufgefordert, den Urlaub zu nehmen, noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahrs oder Übertragungszeitraums verfallen kann.
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Die Beklagte erteilte dem Kläger zunächst Lohnabrechnungen, in denen die Resturlaubsansprüche aus dem laufenden Kalenderjahr und den Vorjahren ausgewiesen, ihnen Entgeltbeträge zugeordnet und die Urlaubsansprüche, wie auch die Entgeltbeträge, fortlaufend saldiert wurden. In der Abrechnung Januar 2019 waren insgesamt 113 Urlaubstage angegeben. Beginnend mit dem Monat Februar 2019 beschränkte die Beklagte die Angaben auf den nicht genommenen Urlaub aus dem laufenden Kalenderjahr und dem Vorjahr bzw. den letzten beiden Vorjahren. In der Abrechnung Dezember 2018 waren in der Rubrik „Vorjahr“ als „Url. – Stand“ 53 Tage, in der Rubrik „lfd. Jahr“ 30 Tage und in der Rubrik „Resturlaub“ 83 Tage angegeben, in der Abrechnung März 2019 in der Rubrik „Vorjahr“ als „Url. – Stand“ 30 Tage, in der Rubrik „lfd. Jahr“ 7 Tage und in der Rubrik „Resturlaub“ 37 Tage. Nachdem der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 3. April und 20. Mai 2019 erfolglos aufgefordert hatte, die „Kürzung“ seiner Urlaubsansprüche zurückzunehmen bzw. seinen Urlaub aus den Vorjahren anzuerkennen, hat er die vorliegende Klage eingereicht.
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Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei verpflichtet, 9 Urlaubstage aus 2015 mit 2.198,99 Euro brutto, 30 Urlaubstage aus 2016 mit 6.395,21 Euro brutto und 30 Urlaubstage aus 2017 mit 6.397,40 Euro brutto abzugelten. Der Urlaub sei trotz seiner dauerhaften Erkrankung nicht verfallen, weil die Beklagte es unterlassen habe, ihn rechtzeitig auf den drohenden Verfall hinzuweisen. Er sei aus diesem Grund nicht in der Lage gewesen, bei den behandelnden Ärzten – in der Erwartung, dass bei Gewährung von Urlaub auch seine Arbeitsfähigkeit jedenfalls ab 2016 wieder dauerhaft hergestellt werde – auf eine Gesundschreibung hinzuwirken und Urlaub tatsächlich zu nehmen. Sein Urlaubsanspruch habe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls als Ersatzurlaubsanspruch fortbestanden. Zudem habe die Beklagte die Resturlaubsansprüche, deren Abgeltung er verlange, durch die fortlaufende Saldierung in den Lohnabrechnungen anerkannt.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.961,60 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem 7. Mai 2020 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die nicht erfüllten Urlaubsansprüche des Klägers aus den Jahren 2015 bis 2017 seien 15 Monate nach dem Ende des jeweiligen Urlaubsjahrs erloschen. Sie habe auf den drohenden Verfall des Urlaubs nicht hinweisen müssen, denn dem Kläger sei es aufgrund seiner Erkrankung objektiv unmöglich gewesen, den Urlaub zu nehmen. Mit den Lohnabrechnungen sei sie ihrer Verpflichtung nach § 108 GewO nachgekommen. Soweit darin verfallener Urlaub als Resturlaub angegeben sei, beruhe dies auf einem Systemfehler.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufung hat der Kläger die Klage, die er zunächst ausschließlich auf die Feststellung gerichtet hatte, dass ihm aus dem Jahre 2015 noch 9 Urlaubstage und aus den Jahren 2016 und 2017 jeweils noch 30 Urlaubstage zustünden, geändert und anstelle des Feststellungsantrags den Leistungsantrag auf Abgeltung des Urlaubs gestellt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Die Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage auf Zahlung von Urlaubsabgeltung für Urlaub aus dem Jahr 2016 iHv. 6.395,21 Euro brutto und dem Jahr 2017 iHv. 6.397,40 Euro brutto nebst Zinsen richtet. Soweit der Kläger im Übrigen die Abgeltung von Urlaub für das Jahr 2015 verlangt, wird das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen im Revisionsverfahren – 9 AZR 401/19 (A) – analog § 148 ZPO ausgesetzt.
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A. Die Revision des Klägers ist nicht deshalb zurückzuweisen, weil der Kläger die Klage im Berufungsverfahren von einem Feststellungsantrag auf einen Leistungsantrag umgestellt hat. Die im Laufe des Berufungsverfahrens vollzogene Klageänderung führt nicht zur Unzulässigkeit der Berufung.
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I. Die Zulässigkeit der Berufung ist eine vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfende Prozessfortsetzungsvoraussetzung. Fehlt sie, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, auch wenn das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat (st. Rspr. zuletzt zB BAG 18. September 2019 – 4 AZR 275/18 – Rn. 10; 6. September 2018 – 6 AZR 204/17 – Rn. 14 mwN). Das Rechtsmittel der Berufung setzt voraus, dass der Berufungskläger die Beseitigung einer in der angefochtenen Entscheidung liegenden Beschwer erstrebt (vgl. hierzu BAG 24. Oktober 2017 – 1 ABR 45/16 – Rn. 9, BAGE 160, 386; 15. November 2016 – 9 AZR 125/16 – Rn. 10; vgl. auch BGH 29. September 2011 – IX ZB 106/11 – Rn. 7).
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II. Danach war die Berufung ungeachtet der „Antragsumstellung“ zulässig. Der Kläger erstrebte mit der Berufung die Beseitigung der in der angefochtenen Entscheidung liegenden Beschwer. Wäre die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts in Rechtskraft erwachsen, stünde dies der Begründetheit der Abgeltungsklage entgegen. Mit der Abweisung des Feststellungsantrags als unbegründet wäre rechtskräftig festgestellt, dass das vom Kläger geltend gemachte materielle Recht – der Urlaub aus den Jahren 2015 bis 2017 – vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr bestand (vgl. Musielak/Voit/Musielak ZPO 18. Aufl. § 322 Rn. 58; Zöller/G. Vollkommer ZPO 33. Aufl. § 322 Rn. 12). Der Kläger wäre daran gehindert gewesen, im Folgeprozess die Abgeltung des Urlaubs zu verlangen, denn der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein offener Urlaubsanspruch besteht, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.
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B. Die Klage ist zulässig.
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I. Über die Zulässigkeit der Klageänderung in der Berufungsinstanz hat der Senat keine Entscheidung zu treffen. Das Landesarbeitsgericht hat über den Leistungsantrag in der Sache entschieden. Daher ist in entsprechender Anwendung von § 268 ZPO in der Revision nicht mehr zu prüfen, ob eine Klageänderung iSv. § 533 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG gegeben ist und diese ggf. zulässig ist (BAG 24. Februar 2021 – 10 AZR 8/19 – Rn. 36; 18. November 2020 – 5 AZR 57/20 – Rn. 15 mwN).
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II. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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1. Der Kläger muss, soll die Klage den Bestimmtheitsanforderungen von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügen, die begehrte Rechtsfolge aus einem konkreten Lebensvorgang ableiten. Verlangt ein Arbeitnehmer im Weg einer objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO, den Arbeitgeber zu verurteilen, ihm nicht genommenen Urlaub abzugelten, der aus mehreren Kalenderjahren stammt, muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die „Gesamtklage“ zusammensetzt (BAG 30. Oktober 2019 – 10 AZR 177/18 – Rn. 15, BAGE 168, 290; 19. Februar 2019 – 3 AZR 215/18 – Rn. 16, BAGE 165, 357; 29. August 2018 – 7 AZR 206/17 – Rn. 20), denn das Abgeltungsverlangen bildet hinsichtlich eines jeden einzelnen Urlaubsjahrs einen eigenen Streitgegenstand (vgl. BAG 23. Januar 2018 – 9 AZR 200/17 – Rn. 26 ff., BAGE 161, 347).
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2. Diesen Anforderungen genügt die Klage. Ihr ist zu entnehmen, aus welchen Einzelforderungen sich der Abgeltungsbetrag zusammensetzt. Unter Berücksichtigung der Klagebegründung ist mit hinreichender Bestimmtheit erkennbar, auf wie viele Urlaubstage aus den Jahren 2015 bis 2017 als Klagegrund sich der Antrag bezieht und in welcher Höhe der Kläger die Abgeltung von Urlaub aus dem jeweiligen Kalenderjahr verlangt.
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C. Die Revision ist unbegründet, soweit sie gegen die Abweisung der Klage auf die Abgeltung für Urlaub aus den Jahren 2016 und 2017 gerichtet ist. Der Kläger erwarb zwar zu Beginn der Jahre 2016 und 2017 jeweils einen vertraglichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen, der den gesetzlichen Urlaubsanspruch einschloss (§§ 1, 3, 4 BUrlG) und nicht durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist. Er hat jedoch für diesen Zeitraum keinen Anspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG auf Urlaubsabgeltung, weil seine gesetzlichen und vertraglichen Urlaubsansprüche aus den genannten Jahren 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahrs und damit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erloschen sind. Dies folgt, wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, für den gesetzlichen Mindesturlaub aus § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG und gilt entsprechend für den vertraglichen Mehrurlaub, weil die Parteien keine vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Vereinbarung getroffen haben. Abgeltungsansprüche konnten nicht mehr entstehen. Dem Kläger steht deshalb auch kein Zinsanspruch zu.
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I. Die Voraussetzungen eines Teilurteils nach § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2016 und 2017 sind erfüllt. Bei den Abgeltungsansprüchen, die der Kläger in Bezug auf Urlaub aus den Jahren 2015 bis 2017 geltend macht, handelt es sich um eine Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche (vgl. BAG 23. Januar 2018 – 9 AZR 200/17 – Rn. 26 ff., BAGE 161, 347), so dass die Gefahr widersprechender Entscheidungen nicht besteht (vgl. hierzu BAG 27. Mai 2020 – 5 AZR 387/19 – Rn. 19, BAGE 170, 327; 8. September 2011 – 2 AZR 388/10 – Rn. 54; BGH 26. April 2012 – VII ZR 25/11 – Rn. 11).
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II. Der Senat kann ohne Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. hierzu BAG 15. April 2015 – 4 AZR 796/13 – Rn. 21 mwN, BAGE 151, 235) über die Abgeltung von primären Urlaubsansprüchen des Klägers aus den Jahren 2016 und 2017 entscheiden. Der Kläger verlangt, wie der Klagebegründung zu entnehmen, gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG die Abgeltung von gesetzlichem Mindesturlaub und vertraglichem Mehrurlaub aus den Jahren 2016 und 2017 – wie auch aus dem Jahr 2015 – unabhängig davon, ob ihm dieser bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch als Primär- oder Sekundäranspruch zustand (vgl. BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 423/16 – Rn. 37, BAGE 165, 376).
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III. Der gesetzliche Mindesturlaub des Klägers aus dem Jahr 2016 ist nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG am 31. März 2018 verfallen und der aus 2017 am 31. März 2019.
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1. Für den gesetzlichen Mindesturlaub iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG schreibt § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG vor, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG grundsätzlich in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden; andernfalls erlischt er nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG.
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a) § 7 Abs. 3 BUrlG ist unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass der gesetzliche Urlaub nicht verfällt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahrs und/oder des Übertragungszeitraums krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist und es ihm deshalb nicht möglich ist, den Urlaub zu nehmen. Der aufrechterhaltene Urlaubsanspruch tritt in diesem Fall zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzu und ist damit erneut nach § 7 Abs. 3 BUrlG befristet. Er erlischt allerdings bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahrs (vgl. grundl. EuGH 22. November 2011 – C-214/10 – [KHS] Rn. 28, 38, 44; bestätigt durch EuGH 25. Juni 2020 – C-762/18 und C-37/19 – [Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria] Rn. 71 ff.; 29. November 2017 – C-214/16 – [King] Rn. 55 ff.; BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 23, 32 ff., BAGE 142, 371; vgl. auch 16. Oktober 2012 – 9 AZR 63/11 – Rn. 9; 18. März 2014 – 9 AZR 669/12 – Rn. 14).
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b) Besteht die Arbeitsunfähigkeit am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahrs fort, so gebietet Unionsrecht keine weitere Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs. In diesem Fall liegen besondere Umstände vor, die die Befristung des Urlaubsanspruchs zum Schutz eines überwiegenden Interesses des Arbeitgebers vor dem unbegrenzten Ansammeln von Urlaubsansprüchen rechtfertigen, obwohl es dem erkrankten Arbeitnehmer nicht möglich war, den Urlaubsanspruch zu verwirklichen (EuGH 25. Juni 2020 – C-762/18 und C-37/19 – [Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria] Rn. 71 ff.). Ein Zeitraum von 15 Monaten, in dem die Übertragung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub möglich ist, entspricht nach der Feststellung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden Gerichtshof oder EuGH) unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber den Anforderungen der Richtlinie 2003/88/EG und läuft dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub nicht zuwider, weil er dessen positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit gewährleistet (EuGH 22. November 2011 – C-214/10 – [KHS] Rn. 43; BAG 25. August 2020 – 9 AZR 214/19 – Rn. 16; 7. Juli 2020 – 9 AZR 401/19 (A) – Rn. 31, BAGE 171, 231).
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2. Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die gesetzlichen Urlaubsansprüche des Klägers aus den Jahren 2016 und 2017, die zunächst aufrechterhalten blieben, weil es dem Kläger infolge seiner Arbeitsunfähigkeit nicht möglich war, sie in Anspruch zu nehmen, am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahrs erloschen. Dem Erlöschen der Urlaubsansprüche steht nicht entgegen, dass die Beklagte ihre Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht erfüllt hat.
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a) Die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG setzt bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge trägt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Dazu muss er den Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahrs oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt (BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 423/16 – Rn. 39 ff., BAGE 165, 376). Hat der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, tritt der am 31. Dezember des Urlaubsjahrs nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahrs entsteht. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG. Der Arbeitgeber kann deshalb das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren dadurch vermeiden, dass er seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt (grundl. BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 423/16 – Rn. 44, aaO). Diese Grundsätze gelten bei Langzeiterkrankungen von Arbeitnehmern nicht uneingeschränkt.
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aa) Die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers bestehen zwar – entgegen der rechtsfehlerhaften Annahme des Landesarbeitsgerichts – auch, wenn und solange der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist (BAG 7. Juli 2020 – 9 AZR 401/19 (A) – Rn. 19, BAGE 171, 231). Dem Arbeitgeber ist es möglich, den arbeitsunfähigen Arbeitnehmer rechtzeitig entsprechend den gesetzlichen Vorgaben (vgl. BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 423/16 – Rn. 41, 43, BAGE 165, 376) zu unterrichten und ihn aufzufordern, den Urlaub bei Wiedergenesung vor Ablauf des Urlaubsjahrs oder des Übertragungszeitraums zur Vermeidung des Verfalls so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahrs oder des Übertragungszeitraums gewährt und genommen werden kann. Die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten können ihren Zweck erfüllen, auch wenn die Dauer der Erkrankung nicht absehbar ist. Ihre rechtzeitige Erfüllung stellt sicher, dass der Arbeitnehmer die durch das Bundesurlaubsgesetz mit § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG intendierte Dispositionsmöglichkeit hinsichtlich des Zeitraums der Inanspruchnahme des Urlaubs nutzen und ab dem ersten Arbeitstag Urlaub bei Bedarf längerfristig gestaffelt und geplant (vgl. zum Urlaub im Übertragungszeitraum EuGH 22. November 2011 – C-214/10 – [KHS] Rn. 38) nach seiner Wiedergenesung in Anspruch nehmen kann, sofern der Arbeitgeber nicht berechtigt ist, die Gewährung von Urlaub nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BUrlG abzulehnen (BAG 7. Juli 2020 – 9 AZR 401/19 (A) – Rn. 22, aaO).
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bb) Allerdings ist die Befristung des Urlaubsanspruchs bei einem richtlinienkonformen Verständnis des § 7 Abs. 3 BUrlG nicht von der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten abhängig, wenn es – was erst im Nachhinein feststellbar ist – objektiv unmöglich gewesen wäre, den Arbeitnehmer durch Mitwirkung des Arbeitgebers in die Lage zu versetzen, den Urlaubsanspruch zu realisieren. War der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahrs durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahrs arbeitsunfähig oder trat die bis zu diesem Zeitpunkt fortbestehende Arbeitsunfähigkeit im Verlauf des Urlaubsjahrs ein, ohne dass dem Arbeitnehmer vor deren Beginn (weiterer) Urlaub hätte gewährt werden können, sind nicht Handlungen oder Unterlassungen des Arbeitgebers, sondern allein die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers für den Verfall des Urlaubs kausal.
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(1) Die Rechtsfolge der unterlassenen Erfüllung der Obliegenheiten wird wie ihr Inhalt durch den Zweck bestimmt, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Urlaubsanspruch zu verwirklichen (BAG 7. Juli 2020 – 9 AZR 401/19 (A) – Rn. 20 ff., BAGE 171, 231). Kann auch bei Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten deren Zweck nicht erreicht werden, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, in Kenntnis aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt (vgl. BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 423/16 – Rn. 40, BAGE 165, 376), ist es dem Arbeitgeber, der seinen Obliegenheiten nicht nachgekommen ist, nicht verwehrt, sich auf die Befristung und das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu berufen (BAG 7. Juli 2020 – 9 AZR 401/19 (A) – Rn. 23 ff., aaO). Auch in diesem Fall ist von besonderen Umständen auszugehen, die den Verfall des Urlaubsanspruchs am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahrs rechtfertigen (BAG 7. Juli 2020 – 9 AZR 401/19 (A) – Rn. 19, aaO).
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(2) Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof. Die gemäß Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC bestehende Obliegenheit des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer ua. erforderlichenfalls mittels entsprechender Aufforderungen und Hinweise in die Lage zu versetzen, den Urlaub wahrzunehmen (EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 45 f.), dient nach Feststellung des Gerichtshofs der Vermeidung einer Situation, in der die Aufgabe, für die tatsächliche Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu sorgen, vollständig auf den Arbeitnehmer verlagert würde, während der Arbeitgeber die Möglichkeit erhielte, sich unter Berufung auf den fehlenden Urlaubsantrag des Arbeitnehmers seinen eigenen Pflichten zu entziehen (EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 43). Ein Arbeitnehmer, der während des Bezugs- und/oder Übertragungszeitraums krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist, kann seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben (st. Rspr. des EuGH, vgl. EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 24; 22. November 2011 – C-214/10 – [KHS] Rn. 27). Eine freie Entscheidung über die Verwirklichung des Anspruchs ist – ohne dass es auf die Aufforderungen und Hinweise des Arbeitgebers ankäme – von vornherein ausgeschlossen, weil die Arbeitsunfähigkeit auf psychischen oder physischen Beschwerden beruht und vom Willen des Arbeitnehmers unabhängig ist (st. Rspr., vgl. EuGH 25. Juni 2020 – C-762/18 und C-37/19 – [Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria] Rn. 66; 4. Oktober 2018 – C-12/17 – [Dicu] Rn. 32, 33 mwN; BAG 7. Juli 2020 – 9 AZR 401/19 (A) – Rn. 27, BAGE 171, 231).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Urlaubsanspruch des Klägers aus den Jahren 2016 und 2017 nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG erloschen, obwohl die Beklagte ihren Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht nachgekommen ist. Kausal für die fehlende Möglichkeit, den Urlaubsanspruch aus den Jahren 2016 und 2017 zu realisieren, war allein die langandauernde Erkrankung des Klägers und nicht die unterlassene Mitwirkung der Beklagten. Der Kläger war seit Beginn der Urlaubsjahre 2016 und 2017 durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahrs arbeitsunfähig. Die Beklagte hätte ihn auch bei Erfüllung ihrer Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht in die Lage versetzen können, die Urlaubsansprüche zu verwirklichen. Eine Befreiung des Klägers von der Arbeitspflicht durch Urlaubsgewährung war vor Ablauf des 31. März 2018 bzw. bis zum 31. März 2019 rechtlich unmöglich, weil er aufgrund seiner fortdauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nach § 275 Abs. 1 BGB von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreit war (BAG 7. Juli 2020 – 9 AZR 401/19 (A) – Rn. 26, aaO; 18. März 2014 – 9 AZR 669/12 – Rn. 16). Soweit der Kläger in den Vorinstanzen gegen das Erlöschen seiner Urlaubsansprüche eingewandt hat, er sei aufgrund der unterlassenen Aufforderungen und Hinweise durch die Beklagte nicht in der Lage gewesen, bei den behandelnden Ärzten auf seine Gesundschreibung „zwecks Urlaubsnahme“ hinzuwirken, lässt er außer Acht, dass die Gewährung von Urlaub, wie sich aus § 9 BUrlG ergibt, Arbeitsfähigkeit voraussetzt. Urlaub dient der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit, nicht aber ihrer Wiederherstellung oder der Wiedereingliederung des Arbeitnehmers.
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c) Der Senat konnte über die Abgeltung der Urlaubsansprüche des Klägers aus den Jahren 2016 und 2017 entscheiden, ohne den Gerichtshof zuvor nach Art. 267 Abs. 3 AEUV um Vorabentscheidung zu ersuchen (vgl. zu den Voraussetzungen hierfür BVerfG 9. Mai 2018 – 2 BvR 37/18 – Rn. 29 mwN; BAG 23. Mai 2018 – 5 AZR 303/17 – Rn. 23 mwN). Mit der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs sind (insoweit) die Voraussetzungen geklärt, unter denen das Unionsrecht ein Erlöschen des Urlaubsanspruchs bei Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht zulässt.
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IV. Der Kläger hat auch keinen Anspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG auf Abgeltung von vertraglichem Mehrurlaub aus den Jahren 2016 und 2017. Seine Ansprüche auf vertraglichen Mehrurlaub aus den Jahren 2016 und 2017 sind ebenfalls vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG erloschen. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag vom 3. Dezember 2003 ihre jeweiligen Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des vertraglichen Mehrurlaubs und die Voraussetzungen seiner Befristung und seines Verfalls nicht abweichend von den gesetzlichen Vorgaben geregelt. Es ist deshalb von einem diesbezüglichen Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf vertraglichen Mehrurlaub auszugehen (vgl. hierzu BAG 29. September 2020 – 9 AZR 266/20 (A) – Rn. 26; 25. Juni 2019 – 9 AZR 546/17 – Rn. 21; 19. Februar 2019 – 9 AZR 321/16 – Rn. 52). Danach ist der vertragliche Mehrurlaub des Klägers aus dem Jahr 2016 am 31. März 2018 und der aus 2017 am 31. März 2019 gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfallen.
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V. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Kläger der erhobene Abgeltungsanspruch nicht aus anderen Gründen zuerkannt werden kann. Die Beklagte hat den Resturlaub des Klägers mit den Lohnabrechnungen weder anerkannt noch darauf verzichtet, sich auf dessen Erlöschen zu berufen. Ebenso wenig hat sie sich mit diesen verpflichtet, verfallenen Urlaub auch dann abzugelten, wenn dies nach Maßgabe der gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen nicht geschuldet ist. Bei den Angaben in den Lohn-/Gehaltsabrechnungen handelt es sich nicht um Willenserklärungen, sondern um Wissenserklärungen der Beklagten.
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1. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (BAG 28. Januar 2020 – 9 AZR 493/18 – Rn. 49, BAGE 169, 328). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn festzustellen ist, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten als beschreibende Aussage iSe. Wissenserklärung zu verstehen ist oder als Willenserklärung (vgl. BAG 12. Juni 2021 – 4 AZR 387/20 – Rn. 14; 14. Dezember 2016 – 7 AZR 717/14 – Rn. 17; 18. Februar 2014 – 9 AZR 821/12 – Rn. 20 mwN).
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2. Die Lohnabrechnungen waren nicht darauf gerichtet, die Rechtlage bezüglich der nicht erfüllten Urlaubsansprüche des Klägers zu ändern.
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a) Der Senat kann die Auslegung der Abrechnungen selbst vornehmen. Diese enthalten in den für den Streitfall maßgeblichen Teilen typische Erklärungen. Die Abrechnungen weisen außer den persönlichen Daten des Klägers und den darin angegebenen Beträgen keine individuellen Besonderheiten auf. Dies – wie auch das äußere Erscheinungsbild – begründet eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Abrechnungen dem Kläger mittels standardisierter Vordrucke bzw. Vorlagen erteilt wurden, die die Beklagte in ihrem Betrieb regelmäßig verwendete (vgl. zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen BAG 18. September 2018 – 9 AZR 162/18 – Rn. 30 mwN, BAGE 163, 282). Typische Erklärungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (vgl. BAG 15. Oktober 2013 – 9 AZR 572/12 – Rn. 32 mwN; 18. Januar 2012 – 10 AZR 670/10 – Rn. 26).
38
b) Danach konnte der Kläger nicht annehmen, die Beklagte wolle mit den Angaben in den Lohnabrechnungen, die sie ihm bis Januar 2019 erteilte, die bestehende Rechtslage ändern.
39
aa) Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO ist dem Arbeitnehmer „bei Zahlung“ des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Mit der Erteilung der Abrechnung will der Arbeitgeber regelmäßig seinen Mitteilungspflichten nach § 108 Abs. 1 GewO genügen. Die Regelung dient der Transparenz. Die Abrechnung bezweckt die Information über die erfolgte Zahlung. Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er gerade den ausgezahlten Betrag erhält (vgl. BAG 16. Dezember 2015 – 5 AZR 567/14 – Rn. 35 f., BAGE 154, 8). Deshalb stellt eine Entgeltabrechnung regelmäßig lediglich eine Wissenserklärung, nicht aber eine rechtsgestaltende Willenserklärung dar (vgl. BAG 5. Juli 2017 – 4 AZR 867/16 – Rn. 29, BAGE 159, 351). Hiervon ist auch auszugehen, wenn der Arbeitgeber in einer Entgeltabrechnung – über die Pflichtangaben nach § 108 Abs. 1 Satz 2 und 3 GewO hinausgehend – eine bestimmte Anzahl von Urlaubstagen ausweist und genommene und offene Urlaubstage vergleichbar mit einem Arbeitszeitkonto fortlaufend saldiert. Der Arbeitnehmer kann aus diesen Mitteilungen nicht ohne weiteres ableiten, es handele sich um eine auf Bestätigung oder gar Veränderung der Rechtslage gerichtete Willenserklärung im Sinne eines deklaratorischen oder konstitutiven Schuldanerkenntnisses (vgl. BAG 23. September 2015 – 5 AZR 767/13 – Rn. 23 mwN, BAGE 152, 315) oder der Arbeitgeber wolle den ausgewiesenen Urlaub auch dann gewähren oder abgelten, wenn er dies nicht schuldet (vgl. BAG 19. März 2019 – 9 AZR 881/16 – Rn. 16 mwN). Für ein anderes Verständnis müssen besondere Anhaltspunkte vorliegen.
40
bb) Besondere Umstände, die auf einen Geschäftswillen der Beklagten schließen lassen, hat das Landesarbeitsgericht weder festgestellt noch haben die Parteien solche vorgetragen.
41
D. Soweit der Kläger die Abgeltung von Urlaub für das Jahr 2015 verlangt, war das Revisionsverfahren nach Anhörung der Parteien bis zur Entscheidung des Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 7. Juli 2020 (- 9 AZR 401/19 (A) -) analog § 148 ZPO auszusetzen.
42
I. Ein Rechtsstreit kann in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO ausgesetzt werden, wenn entscheidungserheblich ist, wie Unionsrecht auszulegen ist, und zu dieser Frage bereits ein Vorabentscheidungsersuchen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängig ist (vgl. hierzu ausf. BAG 28. Juli 2021 – 10 AZR 397/20 (A) – Rn. 28).
43
1. Die Aussetzung des Rechtsstreits ist bei Anhängigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens mit derselben oder einer weitgehend gleichen Rechtsfrage aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und Prozessökonomie gerechtfertigt. Der Entscheidung des Gerichtshofs über ein anderes anhängiges Vorabentscheidungsersuchen kommt präjudizielle Bedeutung zu. Beantwortet der Gerichtshof die Frage nach Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV, wie Unionsrecht auszulegen ist, hat eine solche Entscheidung unmittelbare Wirkung grundsätzlich nur für die am Ausgangsverfahren beteiligten Gerichte und Parteien. Allerdings ergibt sich aus dem in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, dass der Entscheidung des Gerichtshofs präjudizielle Bedeutung für weitere Rechtsstreitigkeiten zukommt, in denen sich die identische unionsrechtliche Frage stellt (vgl. BAG 28. Juli 2021 – 10 AZR 397/20 (A) – Rn. 35 ff.).
44
2. Die Aussetzung ermöglicht es dem Gerichtshof, das bereits anhängige Verfahren abzuschließen, ohne durch weitere Vorabentscheidungsersuchen belastet zu werden (vgl. BGH 24. Januar 2012 – VIII ZR 236/10 – Rn. 8). Für die Beteiligten des ausgesetzten Verfahrens entfällt der Aufwand im Zusammenhang mit einer eigenen Vorlage (vgl. BAG 28. Juli 2021 – 10 AZR 397/20 (A) – Rn. 38; 20. Mai 2010 – 6 AZR 481/09 (A) – Rn. 10, BAGE 134, 307). Wegen dieser Vorteile nimmt das Gesetz den zeitweiligen Stillstand und die hierdurch bewirkte Verzögerung des Verfahrens in Kauf (vgl. BVerfG 5. August 2013 – 1 BvR 2965/10 – Rn. 20; BAG 28. Juli 2021 – 10 AZR 397/20 (A) – Rn. 30 f. mwN).
45
3. Die Aussetzung einer Rechtsstreitigkeit kommt jedoch nur in Betracht, wenn sich die Rechtsfrage trotz zum Teil abweichender Sachverhalte in gleicher Weise stellt. Sie setzt voraus, dass ein weiteres Vorabentscheidungsersuchen nicht dazu führte, dem Gerichtshof einen Erkenntnisgewinn oder eine breitere Entscheidungsgrundlage zu verschaffen (vgl. BAG 28. Juli 2021 – 10 AZR 397/20 (A) – Rn. 39; 20. Mai 2010 – 6 AZR 481/09 (A) – Rn. 10, BAGE 134, 307). Anderenfalls müssen Gesichtspunkte der Verfahrensbeschleunigung und der Prozessökonomie zurücktreten (vgl. BAG 28. Juli 2021 – 10 AZR 397/20 (A) – Rn. 39).
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II. Die Voraussetzungen einer Aussetzung des Revisionsverfahrens analog § 148 Abs. 1 ZPO sind im Streitfall erfüllt, soweit der Kläger die Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 verlangt.
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1. Der Senat hat den Gerichtshof der Europäischen Union im Revisionsverfahren – 9 AZR 401/19 – mit Beschluss vom 7. Juli 2020 (- 9 AZR 401/19 (A) -) nach Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Fragen ersucht:
1. Stehen Art. 7 RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union der Auslegung einer nationalen Regelung wie § 7 Abs. 3 BUrlG entgegen, der zufolge der bisher nicht erfüllte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub eines im Verlauf des Urlaubsjahrs arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers, der den Urlaub vor Beginn seiner Erkrankung im Urlaubsjahr – zumindest teilweise – noch hätte nehmen können, bei ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahrs auch in dem Fall erlischt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht durch entsprechende Aufforderung und Hinweise tatsächlich in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch auszuüben?
2. Sofern die Frage zu 1. bejaht wird: Ist unter diesen Voraussetzungen bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit auch ein Verfall zu einem späteren Zeitpunkt ausgeschlossen?
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2. Die Entscheidung über die Revision des Klägers setzt, soweit er die Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 verlangt, die Beantwortung der mit Beschluss des Senats vom 7. Juli 2020 (- 9 AZR 401/19 (A) -) gestellten Vorlagefragen durch den Gerichtshof voraus, denn dem Kläger kann der erhobene Abgeltungsanspruch – wie bereits ausgeführt (vgl. Rn. 34 ff.) – nicht schon aufgrund der Lohnabrechnungen zuerkannt werden, die ihm die Beklagte bis Januar 2019 erteilte.
49
a) Die Begründetheit der Klage hängt davon ab, ob das Unionsrecht dem Verfall des Urlaubs für das Jahr 2015 nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG entgegenstand. Der Kläger verlangt zwar allein die Abgeltung restlichen vertraglichen Mehrurlaubs im Umfang von 9 Urlaubstagen, denn die Beklagte hat ihm den gesetzlichen Mindesturlaub aus dem Jahr 2015 vollständig gewährt. Es ist jedoch hinsichtlich der Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des vertraglichen Mehrurlaubs von einem Gleichlauf mit dem gesetzlichen Urlaubsanspruch auszugehen. Die unionsrechtlichen Vorgaben, die an sich ausschließlich den gesetzlichen Urlaubsanspruch von vier Wochen betreffen (vgl. EuGH 19. November 2019 – C-609/17 ua. – [TSN] Rn. 33 ff.; vgl. BAG 26. Mai 2020 – 9 AZR 259/19 – Rn. 22; 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15 – Rn. 35 mwN), gelten im Streitfall auch für den vertraglichen Mehrurlaub, weil die Parteien im Arbeitsvertrag vom 3. Dezember 2003 keine von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Regelung getroffen haben.
50
b) Der Senat kann nicht unabhängig von der Beantwortung der im Revisionsverfahren – 9 AZR 401/19 (A) – gestellten Vorlagefragen durch den Gerichtshof entscheiden, ob die Revision begründet ist.
51
aa) Seit dem Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996 ist das Unionsrecht bei der Auslegung und Anwendung des § 7 Abs. 3 BUrlG zu berücksichtigen (vgl. BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 423/16 – Rn. 18, BAGE 165, 376). Für das Verständnis der Bestimmung kommt es daher auf die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG sowie von Art. 31 Abs. 2 GRC an.
52
bb) Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs ist bislang nicht zweifelsfrei geklärt, ob der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub bei einer ununterbrochen fortbestehenden Erkrankung des Arbeitnehmers auch dann 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahrs oder einer längeren Frist gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG erlischt, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise hätte nehmen können. Gleiches gilt für die Frage, ob der Arbeitgeber nach den Vorgaben des Unionsrechts gehalten ist, seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten bereits zu Beginn des Urlaubsjahrs nachzukommen, will er das Risiko eines unbegrenzten Ansammelns von Urlaubsansprüchen vermeiden.
53
c) Der Kläger hätte den Urlaub aus dem Jahr 2015 im laufenden Urlaubsjahr vor Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit am 18. November 2015 vollständig in Anspruch nehmen können. Die Revision wäre deshalb, soweit die Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 im Streit steht, begründet, sofern das Unionsrecht das Erlöschen des Urlaubsanspruchs bei einer ununterbrochen fortbestehenden Erkrankung des Arbeitnehmers 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahrs oder einer längeren Frist nicht gestattete, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt hat. Über das Bestehen des Urlaubsabgeltungsanspruchs des Klägers wäre unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundsätze erneut zu befinden. Demgegenüber wäre die Revision des Klägers unbegründet, wenn es das Unionsrecht zuließe, dass der bisher nicht erfüllte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, unter den genannten Umständen erlischt.
54
3. Eines weiteren Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV bedarf es nicht. Es würde weder dem Gerichtshof eine breitere Entscheidungsgrundlage für die Beantwortung der Vorlagefragen verschaffen noch zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen.