Vergütung wegen Annahmeverzugs und Leistungsfähigkeit
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.07.2021; AZ.: 5 AZR 543/20;
Der Sachverhalt
Die Parteien streiten – soweit für die Revision von Belang – über Vergütung wegen Annahmeverzugs und dabei insbesondere darüber, ob der Kläger im Annahmeverzugszeitraum leistungsfähig war.
Der 1961 geborene Kläger ist Diplom Mathematiker (FH) und seit 2007 mit einem Grad der Behinderung von 50 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er wurde zum 1. September 1987 vom Deutschen Bibliotheksinstitut, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, als „vollbeschäftigter Angestellter in der Datenverarbeitung“ eingestellt und in die Vergütungsgruppe IVa der Anlage 1a zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) eingruppiert. Zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt ging das Arbeitsverhältnis auf das beklagte Land über. Dieses versetzte den Kläger im Juni 2004 zum zentralen Personalüberhangmanagement. In der Folgezeit wurde der Kläger auf verschiedenen Arbeitsplätzen eingesetzt und erhielt zuletzt Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Von August 2010 bis Anfang 2015 war er unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt. Anschließend folgte eine bis zum 30. Juni 2016 befristete Beschäftigung in der Finanzschule, während derer der Kläger bis Anfang Juli 2015 an 86 Tagen und ab dem 9. Dezember 2015 durchgehend bis zumindest 5. August 2016 arbeitsunfähig krank war. Am 1. August 2016 fand ein Personalgespräch statt, über dessen Inhalt im Einzelnen zwischen den Parteien Streit besteht. Jedenfalls wies das beklagte Land dem Kläger keinen neuen Einsatz zu, zahlte aber zunächst bis einschließlich November 2016 die Vergütung weiter.
Nachdem das beklagte Land die Entgeltzahlung eingestellt hatte, erhob der Kläger am 27. Februar 2017 die vorliegende Klage, mit der er – abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes – Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Zeitraum Dezember 2016 bis Mai 2017, hilfsweise Schadenersatz in gleicher Höhe, verlangt und vorgetragen hat, er sei seit dem 6. August 2016 wieder arbeitsfähig. Er hat sich darauf berufen, der medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg sei von Arbeitsfähigkeit ab dem 1. August 2016 ausgegangen, wegen seiner psychischen Erkrankungen habe er im Juli 2016 erfolgreich eine medikamentöse Kombinationstherapie begonnen. Des Weiteren hat er die ihn behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden.
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 27.325,50 Euro brutto abzüglich 5.233,88 Euro erhaltenes Arbeitslosengeld nebst Zinsen nach bestimmter Staffelung zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und dem Kläger Vergütung wegen Annahmeverzugs zugesprochen. Der Senat hat auf die Beschwerde des beklagten Landes gemäß § 72a Abs. 7 ArbGG das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Im erneuten Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht der Klage wiederum im Wesentlichen stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht nunmehr zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils und verlangt für diesen Fall hilfsweise vom Kläger das an diesen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung Gezahlte zurück. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und unter Berufung auf seit Jahren auftretende Krankheitszeiten des Klägers und mehrere ärztliche Stellungnahmen der Zentralen Medizinischen Gutachterstelle (ZMGA) eingewendet, der Kläger sei im Annahmeverzugszeitraum für die geschuldete Tätigkeit in Entgeltgruppe 11 TV-L nicht leistungsfähig gewesen.
Die Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes hat Erfolg. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann der Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht stattgegeben werden. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger für den Streitzeitraum Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs hat. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
I. Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht zunächst an, dass ein Angebot der zu bewirkenden Arbeitsleistung (§§ 293 ff. BGB) durch den Kläger zur Begründung des Annahmeverzugs des beklagten Landes nicht erforderlich war. Denn das beklagte Land hat dem Kläger nach einem unstreitig bis zum 30. Juni 2016 befristeten Einsatz in der Finanzschule keine Tätigkeit mehr zugewiesen und ihn im Anschluss an das Personalgespräch am 1. August 2016 vorläufig freigestellt. Damit war ein Angebot der Arbeitsleistung entbehrlich (vgl. BAG 23. Februar 2021 – 5 AZR 314/20 – Rn. 12 mwN), denn mit einer einseitigen Freistellung gibt der Arbeitgeber zu erkennen, dass er zur Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht bereit ist.
II. Der Arbeitgeber gerät aber unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 297 BGB nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die geschuldete Arbeitsleistung aus in seiner Person liegenden Gründen zu bewirken (st. Rspr., vgl. nur BAG 19. Mai 2010 – 5 AZR 162/09 – Rn. 16, BAGE 134, 296; 27. Mai 2015 – 5 AZR 88/14 – Rn. 19, BAGE 152, 1). Die Leistungsfähigkeit ist somit – neben dem Leistungswillen – eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss (BAG 28. Juni 2017 – 5 AZR 263/16 – Rn. 30; 24. September 2014 – 5 AZR 611/12 – Rn. 17, BAGE 149, 144). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freigestellt worden ist. Deren Aufhebung bedeutet zwar einen Verzicht des Arbeitgebers auf das Angebot der Arbeitsleistung. Jedoch muss der Arbeitnehmer zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung fähig sein, ein Absehen von den Erfordernissen des § 297 BGB bedarf der ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien (BAG 21. Oktober 2015 – 5 AZR 843/14 – Rn. 22, BAGE 153, 85).
III. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Leistungsfähigkeit des Klägers im Annahmeverzugszeitraum mit der Begründung bejaht, das beklagte Land habe seiner primären Darlegungslast für eine Leistungsunfähigkeit des Klägers nicht genügt.
1. Beruft sich der Arbeitgeber gegenüber einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzug auf dessen Leistungsunfähigkeit iSd. § 297 BGB, erhebt er eine Einwendung (BAG 19. Mai 2004 – 5 AZR 434/03 – zu II 2 a der Gründe), zu deren Voraussetzungen er als Gläubiger der Arbeitsleistung die Darlegungs- und Beweislast trägt (BAG 15. Mai 2013 – 5 AZR 130/12 – Rn. 27). Weil der Arbeitgeber über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers regelmäßig keine näheren Kenntnisse hat, genügt er seiner primären Darlegungslast grundsätzlich schon dadurch, dass er Indizien vorträgt, aus denen auf eine Leistungsunfähigkeit im Annahmeverzugszeitraum geschlossen werden kann. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen, ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung der behaupteten Tatsachen zu erschüttern. Naheliegend ist es, insoweit die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Der Arbeitgeber ist dann für die Leistungsunfähigkeit beweispflichtig. Er kann sich auf das Zeugnis der den Arbeitnehmer behandelnden Ärzte und auf ein Sachverständigengutachten berufen (st. Rspr., zB BAG 22. August 2018 – 5 AZR 592/17 – Rn. 25 mwN).
2. Die primäre Darlegungslast des Arbeitgebers für die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber die von ihm behauptete Tatsache – Leistungsunfähigkeit – mittels Indizien zu beweisen hätte. Er muss lediglich Tatsachen vortragen, die einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür bieten, dass der Arbeitnehmer im Streitzeitraum für die geschuldete Tätigkeit nicht bzw. nicht uneingeschränkt leistungsfähig war (vgl. BAG 22. August 2018 – 5 AZR 592/17 – Rn. 30), die also eine entsprechende Schlussfolgerung ermöglichen und als wahrscheinlich erscheinen lassen. Dabei dürfen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden, denn der Arbeitgeber verfügt regelmäßig über keine näheren Informationen zum Gesundheitszustand des Arbeitnehmers. So hat der Senat beispielsweise die Koinzidenz zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und dem behaupteten Ende der Arbeitsunfähigkeit nach einer mehrmonatigen Erkrankung als entsprechendes Indiz ausreichen lassen (BAG 22. Februar 2012 – 5 AZR 249/11 – Rn 19, BAGE 141, 34). Generell kommen als Indizien, aus denen auf Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers geschlossen werden kann, insbesondere Krankheitszeiten des Arbeitnehmers vor und nach dem Verzugszeitraum (BAG 5. November 2003 – 5 AZR 562/02 – zu I 2 a der Gründe) sowie privatgutachterliche Stellungnahmen eines Betriebs- oder Vertrauensarztes über die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber im Prozess vorlegt und dessen Einschätzungen er sich – zumindest konkludent – zu eigen macht (BAG 22. August 2018 – 5 AZR 592/17 – Rn. 27), in Betracht.
3. Ob den Tatsachengerichten bei der Prüfung, ob der Arbeitgeber im Rahmen des § 297 BGB seiner primären Darlegungslast für die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers genügt hat, ein revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum – generell oder zumindest bei der Würdigung vom Arbeitgeber vorgelegter ärztlicher Stellungnahmen – zusteht, kann dahingestellt bleiben. Denn die angefochtene Entscheidung hielte auch einer eingeschränkten Rechtskontrolle nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat nicht alle relevanten Umstände berücksichtigt und die Anforderungen an ärztliche Einschätzungen der Leistungsunfähigkeit eines Arbeitnehmers überspannt.
a) Die nach § 297 BGB zum Ausschluss des Annahmeverzugs des Arbeitgebers führende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers bezieht sich auf die nach § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung. Diese ist identisch mit der arbeitsvertraglich vereinbarten, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag konkret bestimmt ist. Ist dagegen wie im Streitfall die vom Arbeitnehmer zu erbringende Tätigkeit im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben, obliegt es nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitgeber, den Inhalt der zu leistenden Arbeit innerhalb der vertraglichen Vereinbarungen näher zu bestimmen (BAG 14. Oktober 2020 – 5 AZR 649/19 – Rn. 10 ff. mwN).
aa) Das beklagte Land hat im Annahmeverzugszeitraum und schon geraume Zeit davor von seinem Weisungsrecht nach § 106 Satz 1 GewO keinen Gebrauch gemacht und nach dem unstreitig bis zum 30. Juni 2016 befristeten Einsatz des Klägers in der Finanzschule die von ihm zu bewirkende Arbeitsleistung nicht näher bestimmt. Maßgeblich für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit bzw. Leistungsunfähigkeit des Klägers ist deshalb nicht eine konkrete, von ihm zu bewirkende Arbeitsleistung, sondern die im Arbeitsvertrag rahmenmäßig als „Angestellter in der Datenverarbeitung“ umschriebene Tätigkeit unter Berücksichtigung der zuletzt für ihn maßgeblichen Entgeltgruppe. Denn nur innerhalb der Entgeltgruppe, in der er eingruppiert ist – hier der Entgeltgruppe 11 TV-L -, kann das beklagte Land dem Kläger Arbeit zuweisen (vgl. BAG 21. November 2002 – 6 AZR 82/01 – zu II 2 der Gründe, BAGE 104, 16).
bb) Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit iSd. § 297 BGB kommt es deshalb (nur) darauf an, ob der Kläger im Annahmeverzugszeitraum gesundheitlich zu Arbeit in der Lage war, die den Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 11 TV-L genügt. Abzustellen ist dabei – anders als die Revision meint – auf die Tätigkeitsmerkmale für Beschäftigte in der Informationstechnik (Anlage A Teil II Unterabschnitt 11 zum TV-L), denn der im Arbeitsvertrag allgemein umschriebene Aufgabenbereich des Klägers ist nicht derjenige eines „vollbeschäftigten Angestellten“, sondern der eines „vollbeschäftigten Angestellten in der Datenverarbeitung“. Nach den einschlägigen Tätigkeitsmerkmalen sind dies Beschäftigte, die durch ausdrückliche Anordnung als Leiter einer IT-Gruppe bestellt sind und deren Tätigkeit sich durch die Zahl der durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellten Beschäftigten in der IT-Organisation oder in der Programmierung sowie durch den Umfang oder die Schwierigkeit der Koordinierung mit anderen Stellen aus der Entgeltgruppe 10 heraushebt. In letztere sind eingruppiert Beschäftigte, die durch ausdrückliche Anordnung als Leiter einer IT-Gruppe bestellt sind.
cc) Unerheblich ist dabei, ob – wie das Landesarbeitsgericht meint – ein nach § 297 BGB zum Ausschluss des Annahmeverzugs des Arbeitgebers führendes Unvermögen des Arbeitnehmers aus gesundheitlichen Gründen mit dem aus dem Entgeltfortzahlungsrecht stammenden Begriff der Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen ist oder es gesundheitsbedingte Leistungsminderungen geben kann, die nicht Arbeitsunfähigkeit, aber Unvermögen iSd. § 297 BGB bedingen. Maßgeblich ist allein, ob, wie das beklagte Land geltend macht, der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, eine Tätigkeit auszuüben, die den Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 11 entspricht.
b) Bei der Würdigung der vom beklagten Land vorgelegten und sich zu eigen gemachten ärztlichen Einschätzungen sind die in der Vergangenheit aufgetretenen Erkrankungen des Klägers und die Zeiten seiner Arbeitsunfähigkeit mit einzubeziehen.
Unstreitig und durch die vom Kläger in das Verfahren eingeführte „Sozialmedizinische Stellungnahme“ des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg vom 12. Juli 2016 belegt, litt der Kläger zu diesem Zeitpunkt an einer nicht näher bezeichneten, aber höhergradigen Schlafapnoe, Tagesübermüdung, konzentrativen Defiziten, Anpassungsstörungen, einer mittelgradigen depressiven Episode und einer degenerativen Wirbelsäulenerkrankung. Er war nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vom 1. August 2010 bis Anfang 2015 bezahlt freigestellt aufgrund von „Problemen auf dem Arbeitsplatz“. Bei der ab dem 8. Januar 2015 zugewiesenen Tätigkeit in der Finanzschule war der Kläger bis zum 7. Juli 2015 an 86 Tagen arbeitsunfähig krank und seit dem 9. Dezember 2015 war er durchgehend bis zum 5. August 2016 arbeitsunfähig krankgeschrieben.
c) Vor diesem Hintergrund bieten – wie auch das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat – die vom beklagten Land vorgelegten ärztlichen gutachterlichen Stellungnahmen vom 8. Juni 2016, 13. März 2017 und 23. Oktober 2017 entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hinreichende Anhaltspunkte für die Schlussfolgerung, der Kläger sei jedenfalls im Streitzeitraum für Tätigkeiten in der Entgeltgruppe 11 TV-L nicht leistungsfähig gewesen, weil er aus gesundheitlichen Gründen die tariflichen Anforderungen an eine Tätigkeit in dieser Entgeltgruppe (weiterhin) nicht erfüllen konnte. Am 8. Juni 2016 – also ein knappes halbes Jahr vor Beginn des Streitzeitraums – kommt die ärztliche Gutachterin zu der Einschätzung, ein Ende der zu diesem Zeitpunkt unstreitig seit dem 9. Dezember 2015 durchgängig bestehenden Arbeitsunfähigkeit sei nicht absehbar. Am 13. März 2017 – also während des Streitzeitraums – hält die ärztliche Gutachterin die Einschätzung des Medizinischen Dienstes zu einer Arbeitsfähigkeit des Klägers ab dem 1. August 2016 als „aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar“ und meint, selbst eine Leistungsfähigkeit des Klägers für „einfachere Verwaltungstätigkeiten“ könne ohne eine neuropsychologische Diagnostik „nicht sicher festgestellt werden“. Auch die vertrauensärztliche gutachterliche Stellungnahme vom 23. Oktober 2017, der eine vertrauensärztliche Untersuchung am 18. Mai 2017 und eine nachfolgende psychiatrische Zusatzbegutachtung sowie eine neuropsychologische Untersuchung zugrunde liegen, ist geeignet, gewichtige Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Klägers für eine den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppe 11 genügende Arbeit zu wecken. Dabei ist es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts für die Begründung einer entsprechenden Indizwirkung nicht erforderlich, dass die ärztliche Gutachterin „sämtliche möglichen Arbeitsplätze in der Datenverarbeitung mit der Entgeltgruppe 11 TV-L“ kennt. Denn es geht vorliegend nicht darum, für den freigestellten Kläger einen Arbeitsplatz zu finden, sondern darum, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen generell nicht in der Lage ist, eine Arbeitsleistung zu erbringen, die den Anforderungen der Tätigkeitmerkmale der Entgeltgruppe 11 TV-L genügt.
4. Damit hat das beklagte Land ausreichend Indizien vorgetragen, aus denen auf eine Leistungsunfähigkeit des Klägers im Annahmeverzugszeitraum geschlossen werden kann. Die Indizwirkung der behaupteten Tatsachen hat der Kläger wiederum in ausreichendem Maße erschüttert. Er hat die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbunden und sich die Einschätzung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg zu eigen gemacht, der von einer Arbeitsfähigkeit des Klägers ab dem 1. August 2016 ausgegangen ist. Ein weiterer Anhaltspunkt für Leistungsfähigkeit ist die „Nervenfachärztliche Stellungnahme“ vom 7. März 2017, deren Einschätzungen sich der Kläger gleichfalls zu eigen gemacht hat. Danach ist nicht auszuschließen, dass er durch eine im Juli 2016 begonnene medikamentöse Kombinationstherapie jedenfalls im Streitzeitraum oder in dessen Verlauf wieder leistungsfähig war. Nicht aussagekräftig für die Leistungsfähigkeit iSd. § 297 BGB ist hingegen der ablehnende Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 21. März 2017, weil dieser nicht auf die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung, sondern darauf abstellt, ob der Kläger irgendeine Tätigkeit ausüben kann, die es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt.
IV. Haben wie im Streitfall Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihrer jeweiligen Darlegungslast zur Leistungsunfähigkeit bzw. Leistungsfähigkeit iSd. § 297 BGB genügt, müssen die Tatsachengerichte durch Erhebung der angebotenen Beweise klären, ob der Arbeitnehmer im Annahmeverzugszeitraum objektiv leistungsunfähig war. Dies wird das Landesarbeitsgericht im fortgesetzten Berufungsverfahren nachzuholen und festzustellen haben, ob die seit dem 9. Dezember 2015 durchgehend bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers tatsächlich – wie vom Medizinischen Dienst angenommen, von der ärztlichen Gutachterin allerdings als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet – Anfang August 2016 oder zumindest zu Beginn oder im Verlauf des streitgegenständlichen Annahmeverzugszeitraums – etwa aufgrund der im Juli 2016 begonnenen medikamentösen Kombinationstherapie – geendet hat und der Kläger gesundheitlich (wieder) in der Lage war, eine den Anforderungen der Entgeltgruppe 11 TV-L entsprechende Arbeitsleistung zu erbringen. Für die erforderliche Beweisaufnahme dürfte es angezeigt sein, zunächst die in die Behandlung und Begutachtung des Klägers einbezogenen Ärzte als sachverständige Zeugen nicht nur nach § 377 Abs. 3 ZPO schriftlich, sondern persönlich zu vernehmen. Kann sich das Landesarbeitsgericht danach noch keine abschließende Überzeugung (§ 286 Abs. 1 ZPO) über die Leistungsfähigkeit des Klägers im Streitzeitraum bilden, liegt die Einholung eines Sachverständigengutachtens nahe.
V. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.